Embodiment Lab

Der Effekt von virtuellen High Heels auf das Gehverhalten


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1. Motivation / Ziele

Viele Frauen tragen in der Öffentlichkeit High Heels als sexuelles Signal an das andere Geschlecht (Prokop & Švancárová, 2020). Durch das Tragen dieser Schuhe fühlen sie sich nicht nur attraktiver, sondern werden auch von Männern als attraktiver wahrgenommen (Morris et al., 2013). Ab einer Absatzhöhe von etwa 5cm werden die Mechaniken beim Gehen durch die Schuhe verändert (Simonsen et al., 2012). Die Folge davon sind kürzere und mehr Schritte, weniger Kniebeugung und mehr Hüftrotation beim Gehen mit High Heels. Es gibt dabei keine Unterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen High Heel-Träger*innen (Ebbeling et al., 1994; Morris et al., 2013).

Verkörperungen in Computerspielen, sogenannte Avatare, werden in weiblicher Form oft stereotypisch und sexualisiert dargestellt und tragen deshalb beispielsweise oft weniger Kleidung als männliche Avatare (Beasley & Collins Standley, 2002). Durch den Proteus-Effekt werden Eigenschaften des Avatars übernommen. Verändert man also das Erscheinungsbild des Avatars, so ändert sich auch die Wahrnehmung und das Verhalten des Nutzers. Beispielsweise führt dieser Effekt dazu, dass der Träger eines attraktiven Avatars in Virtual Reality (VR) in sozialen Interaktionen selbstoffener ist und weniger zwischenmenschliche Distanz zu anderen hält, als Träger eines weniger attraktiven Avatars (Yee & Bailenson, 2007). Dieser Effekt ist auch bei Avataren bemerkbar, die sexualisiert dargestellten werden, indem sie weniger bedeckende Kleidung und hohe Absatzschuhe tragen. Diese Erscheinung führt bei Nutzern zu mehr körperbezogenen Gedanken, als beim Tragen von nicht-sexualisierte Avataren (Fox et al., 2013). Außerdem ist bekannt, dass das Gehverhalten durch einen virtuellen Avatar beeinflusst wird. Beispielsweise gehen Menschen mit dem virtuellen Körper eines deutlich älteren Menschens langsamer oder machen kürzere Schritte mit dem Avatar eines Gorillas als sie es sonst tun würden (Charbonneau et al., 2017; Reinhard et al., 2020).

In meinem HCI-Projekt möchte ich herausfinden, ob Nutzer eines High Heels tragenden Avatars in VR ihr Gehverhalten entsprechend ihrer virtuellen Verkörperung anpassen, obwohl sie in Realität flache Schuhe tragen.

2. Forschungsstand / Vorarbeiten

2.1 Avatare

In VR kann ein Nutzer das Gefühl erleben, in einer anderen virtuellen Welt zu sein, als er sich physisch befindet. Das Gefühl der Anwesenheit in einer anderen Umwelt kann dabei auch das Verhalten des Nutzers beeinflussen, sodass er sich an die virtuelle Situation anpasst. Dieses subjektive Gefühl wird als Präsenz bezeichnet (Slater & Wilbur, 1997). In VR haben Nutzer oft eine virtuelle Verkörperung, einen sogenannten Avatar, der den eigenen Bewegungen folgt (Bailenson & Blascovich, 2004). Das Gefühl sich in einem Avatar zu befinden, ihn zu besitzen und zu kontrollieren, wird als Embodiment bezeichnet (IJsselsteijn et al., 2006; Kilteni et al., 2012). Die Embodiment-Illusion setzt sich aus den Teilkonzepten Virtual Body Ownership (VBO), Agency und Self-Location zusammen. VBO ist die subjektive Erfahrung, sich einen virtuellen Körper selbst zuzuschreiben, Agency beschreibt die subjektive Erfahrung, die Kontrolle über einen Körper zu haben und Self-Location ist der Wahrnehmung, sich an einem Ort zu befinden (Kilteni et al., 2012). Durch hohe VBO, Agency und Self-Location steigt die Glaubwürdigkeit des Embodiments und führt zu einer höheren Akzeptanz des virtuellen Körpers und damit zu mehr Präsenz. Das kann dann genutzt werden, um Wahrnehmungs- oder Verhaltensänderungen durch die Veränderung des Erscheinungsbild des Avatars zu erreichen. Denn durch den Proteus-Effekt werden die erwarteten Eigenschaften des Avatars bei virtuellen sozialen Interaktionen vom Nutzer übernommen (Yee & Bailenson, 2007). Auch äußerlich veränderte Avatare, die von normalen menschlichen Körpern abweichen, werden dabei als eigener Körper akzeptiert. Durch die hohe Plastizität der eigenen Repräsentation im Gehirn, kann sogar die Benutzung neuer Körperteile des Avatars, wie beispielsweise eines virtuellen Schwanzes am Steißbein, erlernt werden (Steptoe et al., 2013).

2.2 Gehverhalten

Das Gehverhalten wurde schon in zahlreichen VR Studien und verschiedenen Kontexten untersucht. So gibt es Studien, die lediglich die benötigte Zeit für eine bestimmte Strecke unter verschiedenen Bedingungen untersuchten (Reinhard et al., 2020). Andere wiederum untersuchten die Schrittlänge und -dauer oder auch Beugungen von Knie und Hüfte (Wirth et al., 2021). Dafür wurde jedoch eine längere, gerade Strecke ohne Hindernisse benötigt, weshalb diese Experimente auf Laufbändern durchgeführt wurden. Beide Studien wurden mithilfe von Trackingsystemen basierend auf reflektierenden Markern durchgeführt. Des Weiteren ist bereits bekannt, dass Trittgeräusche die Wahrnehmung und die Fähigkeiten beim Gehen beeinflussen (Tajadura-Jiménez et al., 2015).

2.3 Zusammenfassung

Das eigene Körperbild ist variabel, wodurch auch virtuelle High Heels des Avatars als dem eigenen Körper zugehörig wahrgenommen werden können, auch wenn der Nutzer in Realität flache Schuhe trägt. Durch Veränderung der virtuellen Absatzhöhe des Avatars in VR könnte sich dadurch ein angepasstes Gehverhalten des Nutzers einstellen. Der Effekt sollte dann anhand einiger Gehzyklen durch kürzere Schrittlängen, höhere Schrittfrequenz, weniger Kniebeugung und mehr Hüftrotation bei höheren Absätzen messbar sein.

3. Geplante Methodik / Konzepte

Für mein HCI-Projekt soll eine Nutzerstudie im Within-Design durchgeführt werden. Dafür müssen zunächst eine passende virtuelle Umgebung, sowie Avatare und Schuhe besorgt oder erstellt werden und ein passendes Tracking System gefunden werden. In der Studie soll die Absatzhöhe des virtuellen Avatars in VR als unabhängige Variable manipuliert werden: flache Schuhe ohne Absatz bzw. Schuhe mit hohem Absatz (> 5cm). Als abhängige Variablen sollen neben dem Gehverhalten auch die Akzeptanz des Avatars als eigenen Körper abgefragt werden, da das die Voraussetzung für die Anpassung des Verhaltens ist. Die Akzeptanz des Avatarssoll durch den Virtual Embodiment Questionnaire (Roth & Latoschik, 2020) abgefragt werden. Für das Gehverhalten sollen Schrittlänge, - frequenz, Kniebeugung und Hüftrotation untersucht werden.

4. Literatur

Bailenson, J. N. & Blascovich, J. (2004). Avatars. In Encyclopedia of Human- Computer Interaction, Berkshire Publishing Group, Berkshire Publishing Group.

Beasley, B. & Collins Standley, T. (2002). Shirts vs. skins: Clothing as an indicator of gender role stereotyping in video games. Mass Communication & Society, 5 (3), 279–293.

Charbonneau, P., Dallaire-Côté, M., Côté, S. S.-P., Labbe, D. R., Mezghani, N., Shahnewaz, S., Arafat, I., Irfan, T., Samaraweera, G. & Quarles, J. (2017). Gaitzilla: Exploring the effect of embodying a giant monster on lower limb kinematics and time perception. In 2017 International Conference on Virtual Rehabilitation (ICVR). IEEE.

Ebbeling, C. J., Hamill, J. & Crussemeyer, J. A. (1994). Lower extremity mechanics and energy cost of walking in high-heeled shoes. Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy, 19 (4), 190–196.

Fox, J., Bailenson, J. N. & Tricase, L. (2013). The embodiment of sexualized virtual selves: The Proteus effect and experiences of self-objectification via avatars. Computers in Human Behavior, 29 (3), 930–938.

IJsselsteijn, W. A., de Kort, Y. A. W. & Haans, A. (2006). Is this my hand I see before me? The rubber hand illusion in reality, virtual reality, and mixed reality. Presence: Teleoperators and Virtual Environments, 15 (4), 455–464.

Kilteni, K., Groten, R. & Slater, M. (2012). The sense of embodiment in virtual reality. Presence: Teleoperators and Virtual Environments, 21 (4), 373–387.

Morris, P. H., White, J., Morrison, E. R. & Fisher, K. (2013). High heels as supernormal stimuli: How wearing high heels affects judgements of female attractiveness. Evolution and Human Behavior, 34 (3), 176–181.

Prokop, P. & Švancárová, J. (2020). Wearing high heels as female mating strategy. Personality and Individual Differences, 152, 109558.

Reinhard, R., Shah, K. G., Faust-Christmann, C. A. & Lachmann, T. (2020). Acting your avatar’s age: effects of virtual reality avatar embodiment on real life walking speed. Media Psychology, 23 (2), 293–315.

Roth, D. & Latoschik, M. E. (2020). Construction of the Virtual Embodiment Questionnaire (VEQ). IEEE Transactions on Visualization and Computer Graphics (TVCG), 26 (12), 3546–3556.

Simonsen, E. B., Svendsen, M. B., Nørreslet, A., Baldvinsson, H. K., Heilskov- Hansen, T., Larsen, P. K., Alkjær, T. & Henriksen, M. (2012). Walking on high heels changes muscle activity and the dynamics of human walking significantly. Journal of applied biomechanics, 28 (1), 20–28.

Slater, M. & Wilbur, S. (1997). A framework for immersive virtual environments (FIVE): Speculations on the role of presence in virtual environments. Presence: Teleoperators & Virtual Environments, 6 (6), 603–616.

Steptoe, W., Steed, A. & Slater, M. (2013). Human tails: ownership and control of extended humanoid avatars. IEEE transactions on visualization and computer graphics, 19 (4), 583–590.

Tajadura-Jiménez, A., Basia, M., Deroy, O., Fairhurst, M., Marquardt, N. & Bianchi- Berthouze, N. (2015). As light as your footsteps: altering walking sounds to change perceived body weight, emotional state and gait. In Proceedings of the 33rd annual ACM conference on human factors in computing systems.

Wirth, M., Gradl, S., Prosinger, G., Kluge, F., Roth, D. & Eskofier, B. M. (2021). The Impact of Avatar Appearance, Perspective and Context on Gait Variability and User Experience in Virtual Reality. IEEE Virtual Reality and 3D User Interfaces (VR), 326–335.

Yee, N. & Bailenson, J. (2007). The Proteus effect: The effect of transformed selfrepresentation on behavior. Human communication research, 33 (3), 271– 290.


Contact Persons at the University Würzburg

Dr. Sebastian Oberdörfer
Mensch-Computer-Interaktion, Universität Würzburg
sebastian.oberdoerfer@uni-wuerzburg.de

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